Das gesamt Album The Road Ahead lebt vom kreativen Austausch zwischen allen Musikern des Quartetts. In das Anfangsthema hat Albare zudem so viel grandioses Melodiegefühl gepackt, dass es für mehr als ein Lied reichen würde. »Die Melodie ist gleichzeitig das Herz und die Seele eines Stückes, stellt Albare klar, wie hoch ihr Stellenwert für ihn ist. »Wenn du einem Stück die Melodie nimmst, dann nimmst du ihm die Farbe und die Emotion.
Jazzthetik 09+10.13
Albare – Herz und Seele eines Stücks
Seit mehr als 30 Jahren lebt der Gitarrist und Komponist Albert Dadon, besser bekannt unter seinen Künstlernamen Albare, in Australien. Geboren wurde er allerdings in jüdischen Zusammenhängen in Marokko. Zwischenzeitlich hat er in Israel und Frankreich gelebt und kam nicht umhin, sich mit den dortigen kulturellen Wurzeln zu befassen. »Meine heutige Musik ist ein Schmelztiegel, der inzwischen unbewusst all meine kulturellen Hintergründe vermengt«, merkt er an.
Von Franz X.A. Zipperer
Für seine aktuellen Projekte – das Album The Road Ahead und die bevorstehende Welttournee – hat Albare sein Quartett neu aufgestellt. Mit von der Partie ist der italienisch-australische Pianist Phil Turcio, der seit den 1990er Jahren immer wieder und auch über längere Zeitstrecken mit Albare zusammengespielt hat. Weiterhin ist der in Kuba geborene Bassist Yunior Terry dabei, der bereits mit Jane Bunnett, Steve Coleman, Jeff »Tain« Watts und Jerry Gonzalez‘ Fort Apache Band gearbeitet hat. Die Rhythmusgruppe wird durch den aus Venezuela stammenden, vom Latin Jazz inspirierten Schlagzeuger Pablo Bencid komplettiert. Der formidable Bariton Allan Harris übernimmt den Sangespart bei der Interpretation des Stevie-Wonder-Covers »Overjoyed.
Laut Albare war die Neuausrichtung unausweichlich, »schließlich brauche ich für mein unablässiges und weltweites Touren und für meine Aufnahmesessions ein und dieselbe Formation. Ganz besonders freue ich mich, dass Phil Turcio wieder dabei ist, denn der wohnt gleich bei mir um die Ecke, was für das Arbeiten an Stücken enorm vorteilhaft ist.« Diesen Vorteil hat Albare für das vorliegende Album voll ausgenutzt. Allein sechs der insgesamt 13 Stücke sind Gemeinschaftsproduktionen mit Turcio – Nachbarschaftshilfe sozusagen. »Diese Art des Komponierens war einfach wunderbar. Ich schrieb ein Thema aufs Notenblatt, ging zu ihm rüber, und wir jammten davon ausgehend. Am Ende hatten wir immer etwas, was wir ins Studio schleppen konnten.« Bei den endgültigen Aufnahmen stellte sich schnell heraus, dass in den mitgebrachten Stücken, sowohl in denen, die Albare allein geschrieben hat, als auch in den Kooperationen mit Phil Turcio, sehr viel Raum für die Mitmusiker zur Verfügung stand. »Stücke entwickeln meist dann eine große Spannung, wenn der Komponist die Möglichkeit der anderen Musiker mit einbezieht«, verweist Albare auf sein Arbeitscredo. »Es ist doch Herausfordernd ein Thema vorzugeben und die anderen Musiker die Geschichte erst mal ein Stück weiter erzählen zu lassen.«
Das gesamt Album The Road Ahead lebt vom kreativen Austausch zwischen allen Musikern des Quartetts. In das Anfangsthema hat Albare zudem so viel grandioses Melodiegefühl gepackt, dass es für mehr als ein Lied reichen würde. »Die Melodie ist gleichzeitig das Herz und die Seele eines Stückes«, stellt Albare klar, wie hoch ihr Stellenwert für ihn ist. »Wenn du einem Stück die Melodie nimmst, dann nimmst du ihm die Farbe und die Emotion. Zurück bleibt nur ein fleischloses Gerippe.« Die Melodiebögen des Gitarristen sind so bezirzend, dass er sich immer wieder in seine eigenen Stücke verliebt. Aus diesem Grund sind auf dem aktuellen Album auch zwei Titel zu finden, die es bereits aus früheren Alben zu hören gab: »New Signs« (aus dem 1996er Album Midnight Blues) und »Heart of Heart« (erschein 2009 auf After The Rain). »Es gibt diese Momente, da drängt sich unaufhörlich eins meiner alten Lieder vor alle neuen«, erzählt Albare. »Dann weiß ich, ich muss mich damit beschäftigen, mich auf die Suche nach der Essenz des Liedes machen und ihm dann den Ausdruck verliehen, den es heute braucht. Dabei entwickeln sich natürlich auch die Melodie und die Struktur weiter. Das ist Jazz.
Was Jazz sonst noch ausmacht, zeigt Albare im titelgebenden Stück »The Road Ahead«. Dort finden alle seine Wurzeln zusammen und werden mal über Bluesskalen, mal über Skalen aus der Musikkultur des Mittleren Ostens verknüpft. »Was diesem Stück eine zusätzliche Dringlichkeit verleiht, ist die Tatsache, dass es wie ein Gebet funktioniert«, sagt der Gitarrist. Wer sich mit Albares Jazzkosmos erstmalig befasst und den Zugang zu seiner Musik sucht, dem sei die Interpretation von Stevie Wonders »Overjoyed« ans Herz gelegt. »Ich finde es überaus wichtig, Menschen in meine Klangwelt einzuladen«, fährt Albare fort. »Dazu eigen sich Coverversionen. Das Stück kennen sie, deshalb können sie sich unvoreingenommen darauf einlassen. Behutsam hole ich sie ab – und wenn ich gut bin, gelingt es mir, ihnen Lust auf meine Musik zu machen.« Eine Einladung, von der man sich nur wünschen kann, dass viele sie annehmen, denn es gibt nicht nur eine aufregende Gitarrensprache zu entdecken, sondern auch einen nicht minder berauschenden Komponisten.
Aktuelle CD:
Albare: The Road Ahead (Enja / edelkultur)